Thüringen ist eine Läuferzehnkampf-Hochburg
Den diejährigen Läuferzehnkamof in Kapfenberg gewannen Johanna Vanderheyden und Robin Schade vom SV Sömmerda. Damit kamen zum ersten Mal in der Geschichte des Läuferzehnkampfes beide Gesamtsieger aus demselben Verein. Auf den zweiten Platz liefen bei den Männern Pavlo Lipovka, der Ukrainer, der für den SCC Berlin startet und bei den Frauen Vanda Kadeřábková-Březinová aus Tschechien. Die dritten Plätze gingen mit Seline Mey (SV Sömmerda) und dem Mehrfachsieger Thomas Häusler (SV Hermsdorf) wieder nach Thüringen.
Gefühlt standen in den letzten Jahren immer mehr Thüringer auf dem Siegerpodest als andere Bundesländer oder Nationen. Das ruft nach einer Analyse:
*** Thüringer Sportler nehmen am Läuferzehnkampf teil, seit er 1990 international ausgeschrieben wurde.
*** 1994 gab es den ersten Gesamtsieg für eine Thüringerin: Gesa Höft vom Saalfelder SV. Ab diesem Zeitpunkt stand in jedem Jahr mindestens eine Sportlerin oder ein Sportler aus Thüringen auf dem Treppchen:
* 1995: Volker Vopel vom TuS Je na gewinnt
* 1996: Volker Vopel gewinnt wieder und Sina Bereshnoi (TuS Jena) wird 2.
* 1997 Heidrun Müller (Saalfelder LV) wird 2.
* 1998 und 1999: Linda Zedler (Saalfelder LV) wird jeweils 3.
* 2000: Manuela Henkel (Saalfelder LV) wird 3.
* 2001: Anna Behning (Saalfelder LV) wird 3.
* 2002: Kerstin Fleißner (TSV Zeulenroda) gewinnt und Manuela Henkel wird 3.
* 2003: Linda Zedler wird zum dritten Mal 3.
* 2004: Florian Wühn (Saalfelder LV) wird 2. und Linda Zedler wiederum 3.
*** Ab 2005 haben die Frauen vom Saalfelder LV das Siegerpodest gemietet:
* 2005: Dreifachsieg: Linda Zedler, Jeanette Müller, Karolin Kamp
* 2006: (kleine Flaute): Linda Zedler und Florian Wühn (bei den Männern) werden 2.
* 2007: 2. Dreifacherfolg für Saalfeld: Linda Zedler, Michelle Pfeifer, Heidrun Müller. Bei den Männern gewinnt Sven Lieback (ASV Erfurt) und Stefan Hubert (SV Sömmerda) wird 2. --> Zum ersten Mal stehen 5 Thüringer auf dem Podest.
* 2008: 3. Dreifachsieg für Saalfeld: Jeanette Müller, Michelle Pfeifer und Anna Behning. Bei den Männern erreicht Frank Heinemann (Saalfelder LV) den 2. Platz.
* 2009: 4. Dreifachsieg für Saalfeld (in Saalfeld!): Anna Behning, Jeanette Müller, Sabrina Sturm. Hinzu kommen Stefan Hubert auf dem 2. und Frank Heinemann auf dem 3. Platz --> wieder 5 Thüringer auf dem Treppchen
*** 2010 war der Höhepunkt für die Thüringer: Es gehen alle Podestplätze nach Thüringen:
Bei den Frauen: Luise Vanderheyden (SV Sömmerda), Anna Behning, Linda Zedler; bei den Männern: Thomas Häusler (SV Hermsdorf), Frank Heinemann, Ronald Stettner (SV Hermsdorf)
*** 2011 gab es eine Besonderheit: Bernd Krannich, Trainer vom SV Sömmerda, meldete aufgrund der großen Hitze und der anstehenden Meisterschaften seine jugendlichen Läuferinnen vom 5.000 und 10.000 m ab. Dadurch war das Siegerpodest bei den Frauen für Sachsen-Anhalt und Sachsen frei. Bei den Männer standen aber drei Thüringer oben: Tim Herold (ASV Erfurt), Robin Schade (SV Sömmerda) und Dominique Sellmann (Mühlhausen)
*** 2012 sind wieder 5 Thüringer auf dem Podest: Anna Behning, Linda Zedler und Lisa Prössdorf (SV Hermsdorf) sowie Thomas Häusler (1.) und Frank Heinemann (2.)
*** 2013 stehen bei den Männern wieder Thomas Häusler ganz oben und Frank Heinemann auf dem 2. Platz. Seline Mey (SV Sömmerda) erreicht wie in diesem Jahr den 3. Platz
Übersicht über die Thüringer Medaillen-Plätze (jeweils Gold - Silber - Bronze)
Verein |
Frauen |
Männer |
Gesamt |
Summe |
Saalfelder LV |
6 – 8 – 12 |
0 – 6 – 1 |
6 – 14 – 13 |
33 |
SV Sömmerda |
2 – 0 – 2 |
1 – 3 – 0 |
3 – 3 – 2 |
8 |
SV Hermsdorf |
0 – 0 – 1 |
3 – 0 – 2 |
3 – 0 – 3 |
6 |
TuS Jena |
0 – 1 – 0 |
2 – 0 – 0 |
2 – 1 – 0 |
3 |
ASV Erfurt |
0 – 0 – 0 |
2 – 0 – 0 |
2 – 0 – 0 |
2 |
TSV Zeulenroda |
1 – 0 – 0 |
0 – 0 – 0 |
1 – 0 – 0 |
1 |
Mühlhausen |
0 – 0 – 0 |
0 – 0 – 1 |
0 – 0 – 1 |
1 |
1994-2014 |
9 – 9 – 15 |
8 – 9 – 4 |
17 – 18 – 19 |
54 (von 126) |
2005-2014 |
7 – 7 – 8 |
6 – 8 – 4 |
13 – 15 – 12 |
40 (von 60) |
Die Thüringer Sportler erreichten 2014 mit 4 von 6 Platzierungen auf dem Siegerpodest sozusagen ein "durchschnittliches Ergebnis". Nun weiter zu den Ergebnissen der Sportler.
In diesem Jahr gab es eine extrem spannende Gesamtwertung bei den Männern. Insgesamt 6 Läufer kämpften um die ersten drei Plätze:
Nach dem ersten Wettbewerb führte Matti Herrmann (SV Vorwärts Frankenberg), der eigentlich den klassischen Zehnkampf bevorzugt. Bei ihm war es klar, der er auf den längeren Strecken nicht so viele Punkte holen wird, was sich bereits bei den 1.500 m auswirkte. Als nächstes kamen mit 400 m und 100 m zwei Zehnkämpfer-Strecken und Matti war wieder auf dem 2. Platz zu finden. Danach gab es noch ein kurzes Aufbäumen bei 200 m, am Ende landete er auf Platz 9 und erreichte aber auch eine für einen Sprinter beachtliche Zeit über 10.000 m (39:18). Mattis Zeiten über 60 m (7,49 s) und 200 m (23,85 s) haben den Weg in die Top30 gefunden und die Zeit über 100 m (11,53) sogar in die Top10!
Der Holländer Ronald Kuin lag neun Disziplinen lang auf einem Medaillen-Platz, führte sogar die Hälfte des Wettkampfes und wurde am Ende auf den vierten Platz verwiesen. Aber es gibt auch für ihn keinen Grund zum Ärgern: eine Top30-Zeit über 400 m (51,43 s) und zwei Top10-Zeiten über 100 m (11,59 s) und 200 m (23,51 s) können sich sehen lassen! Und wie bei Matti Herrmann ist die 10.000-m-Zeit von 38:55 auch nicht zu verachten.
Frank Heinemann, der – wie oben ersichtlich – bereits viermal Gesamtzweiter wurde, lag nach 60 m und 100 m jeweils auf dem dritten Platz in der Gesamtwertung. Am Ende landete er auf Platz 7 und gewann die AK M30 vor Matti Herrmann.
Der Aufsteiger des Jahres war Robin Schade. Er hatte bei seiner vierten Teilnahme einen (fast) idealen Zehnkampf absolviert. Neun persönliche L10K-Bestzeiten und über 200 m fehlte nur eine einzige Hundertstel-Sekunde zur Bestzeit. Seine 60-m-Bestzeit reichte anfangs nur für Platz 15!
Man sagt zwar oft, der Zweitplatzierte sei erste Verlierer. Das trifft auf jeden Fall auf Pavlo Lypovka nicht zu. Er hat sich wahrscheinlich am meisten über seine Platzierung gefreut. Bei seiner vierten L10K-Teilnahme kam er auf den Sprintstrecken nicht ganz an seine Bestzeiten heran, legte dafür auf allen Strecken ab 800 m umso mehr an Tempo zu. Sechs Bestzeiten sowie seine beste Gesamtpunktzahl brachten ihn nach zwei vierten und einem fünften Platz zum ersten Mal auf das Treppchen.
Der glücklichste Läufer war allerdings Thomas Häusler. Nach einer Verletzung in der Vorbereitungszeit konnte er nur zwei Monate richtig trainieren. Seinen Traum vom dritten Gesamtsieg in Folge und dem vierten Gesamtsieg insgesamt hatte er schnell abgelegt, er wollte nur gesund ankommen. Er pendelte bis zur neunten Disziplin zwischen Platz 4 und 7 und lief dann in gewohnter Manier über 10.000 m vor dem Feld her und kam auf den dritten Platz vor, auf dem es diesmal sogar einen Pokal gab. Zur Siegerehrung kam er dann doch stark humpelnd an, hoffentlich war es keine ernste Verletzung, die Thomas sich nach dem Lauf zugezogen hat.
Auch die Plätze 5 und 6 sind interessant: Hier folgen die ersten beiden Jugendlichen. Paul Stoy (Potsdamer Laufclub) startet bereits bei der ersten Disziplin auf Platz 5, rutschte über 1.500 m auf Platz 10 ab, wechselte dann nach jeder Disziplin zwischen Platz 7 und 6 und kam über 5.000 m wieder zurück auf den 5. Platz. Julian Fischer (SV Sömmerda) stieg vom 17. Platz kontinuierlich bis zum 6. Platz nach oben. Dabei schaffte er es, auf allen zehn Disziplinen Bestzeiten zu laufen. Am Ende hatte er mehr als 750 Punkte mehr als im vorigen Jahr. Hier wächst wohl der nächste Gesamtsieger aus Thüringen nach?
Entwicklung der Platzierungen bei den Männern
Bei den Frauen sieht das Platzierungsmuster viel aufgeräumter aus. Johanna Vanderheyden hatte nur nach den 1.500 m die Führung kurzzeitig aus dem Hand gegeben (Ich bekenne mich schuldig: Johanna lief in meinem Windschatten und ich bin auf den 300 m vor der letzten Runde viel zu langsam geworden …) Es wäre vielleicht spannend geworden, wenn ihre Schwester Luise völlig gesund gewesen wäre, aber ich glaube Johanna hätte auch dann geworden. Acht persönliche Bestleistungen bei ihrem dritten L10K-Start (nur bei den 5.000 und 10.000 fehlten wenige Sekunden), davon zwei Top30-Zeiten (400: 61,80 und 100: 13,48) sowie zwei Top10-Zeiten (60: 8,35 und 200: 26,66) sprechen für sich. Luise lief über 60 m in 8.64 s ebenfalls in die Top30, blieb aber auf den anderen vier Strecken deutlich über ihren Bestleitungen von 2010, als sie Gesamtsiegerin wurde. Der Infekt wirkte sich sicherlich schon aus.
Die Leistungen von Vanda Kadeřábková-Březinová sind noch höher zu bewerten als die Leistungen der jugendlichen Läuferinnen aus Sömmerda. Vanda startet (kaum zu glauben!) bereits in der W40 und hatte als Gesamtzweite mehr Jahre als die erste und dritte zusammen! Bei ihrer zweiten Teilnahme konnte sie sich auf sechs Disziplinen im Vergleich zum Vorjahr verbessern. Die anderen vier Disziplinen waren ungefähr in dem Bereich vom vorigen Jahr.
Seline Mey nahm zum zweiten Mal teil und kam zum zweiten Mal auf dem dritten Platz. Auf vier Disziplinen konnte sie sich im Vergleich zum Vorjahr verbessern.
Entwicklung der Platzierungen bei den Frauen
Außer den Erstplatzierten gab es auch bei vielen anderen tolle Leistungen. Lisa Prössdorf zum Beispiel hatte 2012 in Albi (da noch für SV Hermsdorf startend) neun Bestzeiten aufgestellt. Nur über 100 m war da es bei „okanartigem Gegenwind“ (Zitat Frank Burmeister zum Gegenwind von 3,9 m/s) nicht möglich Bestleistungen zu laufen. Das hat Lisa in diesem Jahr nachgeholt. Zusätzlich hat sie vier weitere persönliche Bestleistungen geschafft. In der Gesamtwertung kam sie auf Platz 5.
Sirka Ay, ebenfalls eine ehemalige Hermsdorferin, erreichte über 60 m (8,50 s) und über 200 m (28,16 s) jeweils die Top30 aller Läuferzehnkämpfe. Im vorigen Jahr hatte sie sich beim letzten Schritt des 400-m-Laufes verletzt und musste die restlichen Tage zusehen. In diesem Jahr kam siegesund ins Ziel und landete auf dem 6. Platz.
So könnten noch viele persönliche Bestzeiten aufgezählt werden. Eine Besonderheit möchte ich noch erwähnen: Steffi Franke (Chemnitzer Polizei SV) hatte von 1998 bis 2002 fünfmal in Folge teilgenommen und danach 10 Jahre pausiert. 2013 war sie wieder am Start und 2014 konnte sie alle 10 Leistungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessern. Auf den langen Strecken hatte Helmut Linzbichler aus Kapfenberg einen großen Anteil daran, denn er gab Steffi lange Zeit Windschatten.
Auch bei den Männern könnte man viele Sportler aufzählen, die sich auf mehreren Disziplinen verbessert haben. Aber an dieser Stelle möchte ich nur die "männliche Jugend U90" erwähnen. Es ist schon allein erstaunlich, dass über 80jährige die Kraft aufbringen, am Läuferzehnkampf teilzunehmen. Damit nicht genug, sie verbessern auch noch ihre Leistungen vom Vorjahr!
Leo Hohmann (ESV Lok Potsdam) ist ein Urgestein des L10K. Er hat zum 18. Mal teilgenommen. Von 1993 bis 2009 hat er (außer 2002) an jedem L10K teilgenommen. Seit er 66 Jahre alt war (1999 in Kapfenberg), war er der älteste Teilnehmer. 2010 bis 2012 musste er pausieren, kam 2013 mit 80 Jahren wieder und war nur noch Zweitältester! Mit 81 Jahren hat er in diesem Jahr auf zwei Strecken (400 m und 3000 m) seine Leistungen vom vorigen Jahr verbessern können.
Seit 2013 hat Jiří Soukup (TJ LIGA 100 Hradec Králové) die Krone des ältesten L10K-Teilnehmers aller Zeiten übernommen. Mit 86 Jahren hat er im vorigen Jahr seinen ersten Läuferzehnkampf in Angriff genommen. Auch in Kapfenberg war er wieder dabei und drehte (am Ende einsam) seine Runden. Getrieben von den vielen Anfeuerungsrufen von der Tribüne verbesserte er sich im Vergleich zum Vorjahr auf vier Strecken (1500, 3000, 800 und 200 m). Das ist einfach unvorstellbar!
Da ich mir sicher bin, dass beide im nächsten Jahr wieder dabei sein werden (so sie gesund sind), werde ich in die Punktberechnung einen Altersbonus einbauen. Das ist notwendig, da zu erwarten ist, dass auch Leo im nächsten Jahr auf (nahezu) allen Strecken nur noch einen Punkt bekommen würde. Durch den Altersbonus ist der durchaus vorhandene Geschwindigkeitsunterschied zwischen Jiří und Leo auch in den Punkten wieder zu finden.
Damit bin ich beim Ausblick auf das nächste Jahr und auch wieder beim Thema Thüringen angekommen: Bereits fünf Mal wurde der Läuferzehnkampf in vier Städten Thüringens ausgetragen. 2015 findet vom 14. bis 17. Mai der Internationale Läuferzehnkampf in Sömmerda statt und damit in der fünften Stadt in Thüringen. Nicht nur, dass die beiden Gesamtsieger aus demselben Verein kamen, nein sie haben damit auch noch beste Werbung für den nächsten Austragungsort gemacht. Ich bin gespannt, ob sie ihren Sieg im heimischen Stadion verteidigen können.
Uwe Warmuth, 3-7-2014